Der Linie auf der Spur
Über die Veranstaltung
Verschiedene Ausdrucksformen der Linie gewinnen in einer zunehmend globalisierten Welt als internationale Bildsprache immer größere Bedeutung. Darauf aufbauend widmet sich die Ausstellung unterschiedlichen und doch verwandten zeitgenössischen Spielarten und präsentiert Positionen, die in ihrer Zusammenstellung spannende Einblicke in die Vielfältigkeit und Unterschiedlichkeit des Themas geben. Die künstlerischen Positionen greifen lineare Strukturen in Form von Licht und Bewegung auf, als Zeichnung, kräftige Farbspur, durch Verwendung geradliniger Alltagsgegenstände oder sie verbinden Linien zur vielschichtigen Fläche und beschreiben einen Raum. Damit entfaltet die Linie ihren Ausdruck als improvisiertes Zeichen, als Konzept, Spur, komplexe Struktur, durchbricht Sehgewohnheiten, greift in den Raum und nimmt in unterschiedlicher Art Bezug zur Umgebung und der jeweiligen Architektur des Raumes. Gemeinsam ist den Künstlerinnen und Künstlern die Wiederholung von Linie, Geste und Bewegung, ohne in ihrer Erscheinung deckungsgleich oder gar geklont zu wirken. Damit schafft es jede der Positionen auf individuelle Weise klassische Kunstgattungen zu durchbrechen.
Almut Determeyers Trickfilmanimationen leben von der lebendig und ausdrucksstark gezeichneten Linie. Sie erzählen von organisch-stofflichen Verwandlungen in phantastisch übersteigerten Handlungen. Determeyer lässt Natur und Mensch wie selbstverständlich ineinander übergehen und transformiert märchenhafte Motive zu Szenarien zwischenmenschlicher Tragik. In witzig ironischen Sequenzen widmet sie sich besonders der weiblichen Psyche, vermischt in ergreifenden Einverleibungen Mensch und Natur und wandelt sie teils explosionsartig, teils fließend zu übergeordneten Wesen in fiktiven Traumlandschaften um. In Deggendorf präsentiert sie aktuelle Zeichnungen und Filme.
Annegret Hoch beschäftigt sich in ihrer ungegenständlichen Malerei mit der Wirkung von Farbe und Raum. Sie entwickelt individuelle Strukturen, deren Klarheit und Transparenz vom Prozess des Malens getragen sind. Hoch verwendet Farbe sozusagen als Zeichenstift und untersucht immer wieder aufs Neue an welchem Punkt eine Linie zur Fläche wird und umgekehrt. Besonders interessiert sie sich für die Wirkung offen strukturierter Ornamente und Ordnungssysteme, die ähnlich der Weiterführung eines abstrakten Bildgedankens, über den Bildträger hinausführen. Diese Herangehensweise führte sie zu raumgreifenden Installationen und zum direkten Malen auf die Wand. Über das Aufgreifen architektonischer Gegebenheiten, bahnt sich ihre Formensprache somit einen unvermittelten Weg in den Raum. Für Deggendorf realisiert sie eine ortspezifische Wandmalerei.
Siegfried Kreitners minimalkinetische Skulpturen bestechen durch ihre einfache und klare Formensprache. Sie scheinen ein Innenleben zu besitzen, das über subtile, kaum merkliche und geräuschlose Bewegungen zutage tritt. Seine Skulpturen thematisieren vor allem den Moment der sich in den Raum ausweitenden Bewegung und kalkulieren illusionistische die Wahrnehmung irritierende Effekte ein. Im Wesentlichen setzen sich seine Arbeiten aus Elementen der Bewegungserzeugung und -übertragung zusammen und erzeugen die Kausalkette „Motor – Getriebe – Nockenscheibe – Linearlager – Stößelstange – bewegte Masse oder bewegtes Leuchtelement“ als unveränderbare Folge, die einem minimalen Bewegungsablauf dient.
Für ihre minimalen Skulpturen und Installationen benützt Katharina Weishäupl Alltagsmaterialien wie Wollfäden, Tesafilm, Plastiktüten oder Strohhalme, die sie auf den Raum bezogen so einsetzt, dass im Verbund eine völlig neue Perspektive entsteht. Eine Parallelwelt, Erinnerung oder hinterlassene Spur, die in ihrer künstlerischen Auseinandersetzung das Verhältnis von Form, Umraum und Materialität reflektiert und den Raum an sich zum Thema macht. Für die Räume des Stadtmuseums wird eine ortspezifische Rauminstallation realisiert. Esther Zellmer greift in ihrer Bildsprache auf einfache Grundmotive, wie Berg, Baum oder Haus zurück. Sie dienen ihr als Ausgangspunkt und werden auf ihre Möglichkeit hin untersucht Malerei zu bilden. Für jedes Bildthema erarbeitet Zellmer eine Struktur oder ein Raster, die sie mit Farbflächen füllt. Ihre Kompositionen sind jedoch nie streng mathematisch und werden wie in den Leinwandarbeiten durch den Pinselstrich in der Druckgraphik durch freihändig gezogene Linien von unregelmäßiger Auftragsstärke und einer äußerst experimentierfreudigen Verwendung von druckfähigen Gegenständen aufgelockert. Keine Linie entspricht der anderen in Farbe und Form, der Moment der Wiederholung wird stets gebrochen.
Die Deggendorfer Ausstellung zeigt einen umfangreichen Überblick und spannende Einblicke in die Vielfältigkeit und Unterschiedlichkeit linearer Strukturen. Sie wird kuratiert von Anjalie Chaubal und präsentiert rund 50 Arbeiten auf Leinwand und Papier, Skulpturen, Videoinstallationen und drei ortspezifische Rauminstallationen.
Auf Einladung der Stadtgalerie im Stadtmuseum Deggendorf setzt sich die Regensburger Choreografin Alexandra Karabelas mit der Ausstellung „Der Linie auf der Spur“ auseinander und konfrontiert den Betrachter mit kurzen performativen Blöcken. Tanzen werden das choreografische Projekt „body // lines“ Kilta Rainprechter und andere.
Gezeigt wird die Performance zur Vernissage am Freitag, den 30. März um 19.00 Uhr, und zur langen Kultur- und Einkaufsnacht am 26. April um 21.00 Uhr und 22.00 Uhr.
Bildnachweis:
Annegret Hoch, aus der Serie Vorhang, 2011, Ei-Tempera/Öl auf Nessel, 100 x 75 cm;
Almut Determeyer, peep, 2012, Negrostift und Bundstift auf Papier, 40 x 30 cm; 3.
Siegfried Kreitner, Zeitraum, 2011, 7 Elektromotore 3,3 U/min; 1 U/min; 1U/min; 0,5 U/min; 1 U/min; 2,2 U/min; 3,3U/min, 28 LED Lichtleisten, Blauentladung, Licht leitendes Gewebe, 40 x 40 x 238 cm
Esther Zellmer, Palme, 2011,Holzschnitt, 106 x 78 cm; 5.
Katharina Weishäupl, spaziare (Installationsansicht Kunstverein Landshut, Detail), 2011, Strohhalme